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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 19.07.2006
Aktenzeichen: 20 U 69/06
Rechtsgebiete: ZPO, PflVG, AKB, VVG


Vorschriften:

ZPO § 522 Abs. 2
PflVG § 3 Nr. 9 Satz 2
AKB § 2 b Abs. 1 lit. e
VVG § 6 Abs. 1
VVG § 6 Abs. 1 Satz 1
VVG § 6 Abs. 1 Satz 2
VVG § 6 Abs. 1 Satz 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Der Senat beabsichtigt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, da sie keine Aussicht auf Erfolg hat und die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung besitzt, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senates erfordern.

Gründe:

I.

1.) Die zulässige Berufung des Beklagten hat keine Aussicht auf Erfolg. Die Klage ist begründet. Das Landgericht hat der Klägerin den geltend gemachten Anspruch mit zutreffender Begründung zuerkannt. Die mit der Berufung hiergegen gerichteten Angriffe rechtfertigen keine andere Entscheidung. Die Klägerin ist leistungsfrei geworden, so dass sie berechtigt ist, gemäß § 3 Nr. 9 Satz 2 PflVG (bzgl. der an den Geschädigten gezahlten Entschädigung bis zur Höhe des Höchstbetrages von 5.112,00 €) beim Beklagten Rückgriff zu nehmen.

2.) Die Klägerin ist vorliegend gemäß § 2 b Abs. 1 lit. e AKB, § 6 Abs. 1 VVG leistungsfrei geworden.

a) Der Beklagte hat aufgrund absoluter Fahruntüchtigkeit (BAK von 2,07 Promille) mit seinem Fahrzeug am 09.09.2003 einen Verkehrsunfall schuldhaft verursacht und damit schuldhaft die aus § 2 b Abs. 1 lit. e AKB (Trunkenheitsklausel) folgende Obliegenheit verletzt.

b) Die Klägerin ist dem Kündigungserfordernis des § 6 Abs. 1 Satz 3 VVG, wonach der Versicherer den Versicherungsvertrag binnen eines Monats nach Kenntniserlangung von der Obliegenheitsverletzung kündigen muss, um sich auf eine Obliegenheitsverletzung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 VVG berufen zu können, fristgerecht nachgekommen. Die Ausführungen im angefochtenen Urteil sind im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die hiergegen mit der Berufung vorgebrachten Einwendungen verfangen nicht.

aa) Die Frist zur Kündigung des Versicherungsvertrages begann mit Zugang der schriftlichen Schadensanzeige am 25.09.2003 (Bl. 58 d. A.) und lief bis zum 25.10.2003, so dass der - unstreitige - Zugang des Kündigungsschreibens der Klägerin vom 21.10.2003 (Bl. 24 d. A.) - spätestens - am 25.10.2003 die Frist gewahrt hat. Entgegen der Auffassung des Beklagten lief die Monatsfrist nicht bereits mit der vom Beklagten behaupteten "mündlichen Mitteilung des Unfalls unter Angabe der alkoholbedingten Ursache" am 11.09.2003 an den Zeugen T (Agent der Klägerin) an.

(1) Nach dem Wortlaut des § 6 Abs. 1 Satz 2 VVG beginnt die Monatsfrist mit Erlangung der Kenntnis von der Obliegenheitsverletzung durch den Versicherer. Dies setzt inhaltlich voraus, dass der Versicherer den vollen objektiven Sachverhalt positiv kennt (Senat VersR 1998, 847; OLG Köln, NJOZ 2006, 939). Allein der Zugang der Schadensanzeige genügt hierfür nicht. Bei einem Verstoß gegen die Trunkenheitsklausel beginnt die Frist in der Regel nur dann mit Zugang der Schadensanzeige, wenn darin Alkoholgenuss und Führerscheinbeschlagnahme angegeben sind (OLG Köln aaO, S. 940). In organisatorischer Hinsicht hängt der Fristbeginn davon ab, wann die mit der Feststellung des Tatbestandes der Obliegenheitsverletzung beauftragte Stelle des Versicherers Kenntnis erlangt hat (so erlangt die Bezirksdirektion eines VR Kenntnis, wenn sie damit betraut war, bei einem Verdacht auf Obliegenheitsverletzungen Ermittlungen einzuleiten, obwohl sie über den Rücktritt selbst nicht zu entscheiden hatte, BGH VersR 1996, 742). Dies entspricht dem Grundsatz, dass das Wissen eines Agenten oder Mitarbeiters dem VR nur im Rahmen der ihnen übertragenen Aufgaben zuzurechnen ist.

(2) Vorliegend reicht die vom Kläger behauptete Mitteilung an den Agenten bereits inhaltlich nicht aus, um den Fristbeginn des § 6 Abs. 1 Satz 3 VVG auszulösen. Denn allein aus der "mündlichen Mitteilung des Unfalls unter Angabe der alkoholbedingten Ursache" kann ein Versicherer nicht entnehmen, ob der VN das Fahrzeug im Zustand absoluter oder relativer Fahruntüchtigkeit geführt hat.

Dessen ungeachtet fällt entscheidend ins Gewicht, dass mit der Mitteilung an den Agenten die Frist des § 6 Abs. 1 Satz 3 VVG nicht ausgelöst wurde. Denn der Agent ist grds. nicht vom VR betraut oder beauftragt, den Tatbestand einer Obliegenheitsverletzung festzustellen. Der Beklagte kann sich im konkreten Fall auch nicht auf das Vorliegen eines Ausnahmefalles berufen. Der Agent hat sich - die Richtigkeit des Beklagtenvorbringes unterstellt - entsprechend den AVB der Klägerin verhalten. Er hat keine Feststellungen zum Vorliegen einer Obliegenheitsverletzung getroffen, sondern hat dem Beklagten das Formular einer schriftlichen Schadensanzeige mit der Bitte überreicht, diese auszufüllen und an die Klägerin weiterzuleiten.

Der Beklagte verkennt in diesem Zusammenhang, dass es vorliegend nicht um die Prüfung geht, ob der Beklagte eine bestimmte Frist (z. B. zur Anzeige des Schadens) eingehalten hat bzw. ob sich der Versicherer auf eine Fristversäumnis des VN berufen kann, sondern darum, ab wann die Monatsfrist des § 6 Abs. 1 Satz 3 VVG zu laufen beginnt.

(3) Demzufolge ist auch nicht ersichtlich, woraus die Klägerin dem Beklagten schadensersatzpflichtig sein soll. Der vom Kläger in Bezug genommene Fall kann nur eine Konstellation betreffen, in der der VN dem Agenten den Schaden - formunwirksam - anzeigt, der Agent die Schadensanzeige nicht zurückweist und sich die Versicherung später auf die Nichteinhaltung der Frist zur Anzeige eines Schadens beruft. Darum geht es vorliegend aber nicht. Wie bereits ausgeführt, hat der Beklagte ein Schadensanzeigeformular zum Ausfüllen erhalten und dieses auch ausgefüllt. Somit hat sich der Agent so verhalten, wie es der Beklagte verlangt. Der Agent hat mit seinem Verhalten zum Ausdruck gebracht, dass die mündliche Mitteilung eben nicht ausreichend war.

II.

Dem Beklagten wird Gelegenheit gegeben, binnen 2 Wochen ab Zustellung des Beschlusses Stellung zu nehmen. Auf die Kostenprivilegierung für den Fall der Rücknahme der Berufung (KV 1222) wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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